Technologieoffensive: 3Di-Segel von North Sails

3Di-Segel von North SailsTechnologieoffensive von North

North Sails enthüllt ein neues, kostspieliges Supersegel. Raoul Joa und Klaas Voget erklären im Interview die Idee dahinter.

von Lars Niggemeyer
North Sails hat aktuell ein richtig heißes Eisen im Feuer. Im Internet kursierten schon seit einiger Zeit Gerüchte und unscharfe Fotos von Segeln die komplett aus Laminat bestehen, wie man es von den raumschiff-artigen Yachten des America's Cup kennt. Nun gibt es die ersten offiziellen Informationen zu den Segeln. Raoul Joa, der Produktmanager von North, und Klaas Voget, der bei Fanatic die Entwicklung des ersten Serien-Stubbys leitete, gaben Chris Yates von der PWA ein Interview, welches wir euch nicht vorenthalten wollen.

Kannst du uns ein wenig von dem neuen Segel erzählen, dass ihr gerade entwickelt? Was ist das für eine Technologie und gibt es schon etwas Vergleichbares auf dem Markt?
Raoul Joa: Wir nennen es eine Konzept-Serie, da wir nur eine sehr limitierte Anzahl produzieren werden. Es wird ein sehr sehr teures Produkt, definitiv nichts für die Masse - zumindest jetzt noch nicht. Auf jeden Fall handelt es sich nicht nur um einen Marketing-Trick! Die Technologie ist bewährt, NorthSails benutzt sie bei den Race-Segeln für den America's Cup.

Die Technologie heißt 3Di und alleine die Entwicklung hat schon Millionen Dollar an Investitionen verschlungen. Es ist der nächste Schritt nach der 3DL-Technologie die vor zehn bis 15 Jahren eingeführt wurde. Damals hatten wir schon ein Race-Segel, das IQ, welches in 3DL hergestellt wurde. Heute gibt es zahlreiche Segel von unterschiedlichen Marken (Severne und Avanti, Anm. d. Red.), in denen etwas sehr ähnliches zur 3DL-Technologie verwendet wird. Auch genannt die Membran-Technologie - welche eigentlich nur eine 2D-Version von 3DL ist. Es handelt sich nicht um eine dreidimensionale Form, sondern um ein flaches Segel, in das ganz klassisch über Nähte eine Form hineingeschneidert wird. Dabei handelt es sich immernoch um ein High-Tech-Produkt, wir bei North haben jedoch ein paar Nachteile dieser Technologie entdeckt, selbst bei der 3DL Version. Das ist auch der Grund, wieso wir uns dagegen entschieden haben, die Membran-Technologie zu verwenden. Um mit der Membran-Technologie ein leichtes Segel herzustellen, muss man die Material-Dicke radikal reduzieren. Das führt zu einer Reihe von Problemen.

Zuerst einmal hängt die UV-Stabilität überproportional mit der Dicke des Materials zusammen und es ist bekannt, dass ein Polyester Film gerade nicht UV-stabil ist. Je länger das Material in der Sonne liegt, desto spröder wird der Film. Wir haben uns deswegen bei unseren aktuellen Segeln für eine Monofilm-Minimal-Dicke von 4 Mil entschieden, der beste Kompromiss zwischen Haltbarkeit, UV-Stabilität und Gewicht. Bei Segeln aus der Membran- oder 3DL-Technologie ist das Laminat nur 2 oder sogar 1,5 Mil dick.

So ein Laminat besteht aus zwei Filmen, in deren Mitte Fäden oder bestimmte Garne verlaufen. Bei manchen Marken werden die Fäden nicht in einem wiederkehrenden Muster, sondern so gelegt, dass sie in Richtung des Zugs verlaufen. Das erlaubt die Dicke des Films weiter zu reduzieren. Das ist die Idee hinter der 3DL bzw. Membran-Technologie, welche aktuell schon bei etlichen Firmen erhältlich ist.

Zweitens soll sich ein modernes Windsurf-Segel nicht verziehen. Bei X-Ply- und Membran-Segeln kommt es immer auf die Kombination aus Dicke und der Anzahl der Fäden an. Unglücklicherweise hängt der Stretch des Segels eher von der Dicke des Materials ab, als von der Anzahl der Fäden. Man kann dünnere Filme also nicht über die Anzahl der Fäden kompensieren. Das Segel wird dadurch sehr dehnbar, was wir nicht für eine positive Eigenschaft halten, ganz besonders bei Performance-Segeln, wie zum Beispiel Race-Segeln.

Einfach gesagt ist die neue 3Di Technologie, die wir exklusiv benutzen, ein laminiertes Segel. Es wird dasselbe Prepreg-Herstellungsverfahren wie bei der Außenhülle eines Boards, eines Masts oder einer Carbon-Gabel angewendet.
Technologieoffensive: 3Di-Segel von North Sails
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Was bedeutet Prepreg?
Raoul: Im Grunde werden auf einer Art Backpapier Filamente angeordnet und dann kommt Harz dazu. Der Trick ist, dass der Computer und eine hydraulische Presse genau kontrollieren müssen, wie viel Harz von den Fasern aufgenommen wird. Das Problem daran ist nur, dass dieses Verfahren nur bis zu einer bestimmten Material-Dicke funktioniert, da die Fasern eine Minimal-Dicke haben müssen.

Die Jungs von North Sails Yachting haben nun ein spezielles Verfahren entwickelt, bei dem sie die einzelnen Haare einer Faser - eine Faser besteht aus bis zu 100 Haaren - extrahieren und daraus ein neues Prepreg machen, das 50-mal dünner ist als normales Prepreg. Da es so dünn ist, wird es elastisch und kombiniert mit einem speziell entwickelten Harz so elastisch wie ein Mono-Film, sodass man ein Segel daraus entwickeln kann.

Es werden zuerst Bänder dieses dünnen Materials produziert. Diese werden dann von einem Computer auf einem Tisch, der so groß ist wie ein Fußballfeld, angeordnet. Entwickelt wurde die Technologie ja für riesige Yachten. Der Tisch ist eine perfekte Ebene und darin steckt eine Menge Technik. Beim Drücken der Enter-Taste wird der Tisch hydraulisch in die gewünschte Form gebracht. Es war ein Albtraum für unseren Segel-Designer Kai Hopf eine komplett neue Computer-Sprache nur für den Tisch zu lernen, damit er Segel designen kann.

Das großartige daran ein Segel aus individuellen Fasern zu machen, ist, dass man an einer stark belasteten Stelle einfach mehr Fasern einsetzen kann. In der Mitte des Segels benutzen wir zum Beispiel drei Lagen, am Segel-Fuß bis zu acht.

Wie fahren die ersten Prototypen?
Klaas Voget: Also mein erster Eindruck ist Folgender: Das 5,0 qm hat sich super-kraftvoll angefühlt, das neue Material sorgt sofort für Druck. Auf der anderen Seite war ich überrascht, dass ich am oberen Ende nicht so stark overpowert war, wie man vielleicht vermuten würde. Das Material hat auf jeden Fall eine große Range, aber wir sind noch am Anfang der Entwicklung. Wir müssen noch eine ganze Menge testen.

Auf Maui werden Victor (Fernandez, Anm. d. Red.) und ich ein paar Prototypen mehr testen und dann mit Kai (Hopf, Anm. d. Red.) zusammenarbeiten. Durch unser Feedback können wir den genauen Shape des Segels und die Anzahl der Lagen um das Segel zu verstärken, kontrollieren. Bei einem traditionellem Segel würde man den Stretch mit Mini-Battens oder Kevlar-Schnüren kontrollieren. Nun können wir einfach eine weitere Lage der Prepreg-Bänder hinzufügen. Das werden wir im Laufe des nächsten Jahres Step-by-step machen.

Wie verhält sich das Gewicht verglichen mit dem, was aktuell schon auf dem Markt ist? Severne produziert aktuell das leichteste Segel auf dem Markt.
Raoul Joa: Wir bei North wollen das leichteste Equipment des Marktes herstellen. Aktuell haben wir schon die leichtesten Masten, Gabeln und Verlängerungen. Unser aktueller Prototyp hat schon jetzt trocken dasselbe Gewicht wie das Severne. Da die Lattentaschen und alle Verstärkungen schon in das Segel integriert sind, zieht alleine die Masttasche Wasser. Im nassen Zustand wird unser Segel also leichter sein.

Ein modernes Windsurfsegel muss einen kontrollierten Stretch haben, um eine sanfte Kraftentwicklung zu haben. Das Problem mit der 3DL Technologie ist, dass das Segel mit dünner werdendem Film sehr dehnbar wird. Mit der neuen 3Di Technologie kann man den Stretch kontrollieren. Wir können ein elastisches Segel bauen, dass aufhört, sich an einem gewünschten Punkt zu dehnen. Gleichzeitig ist es dadurch deutlich steifer als ein traditionelles Segel.

Was die UV-Strahlung angeht: In dem Segel findet man kein Polyester, es wird also auch in der Sonne bestehen. Das einzige, was noch unklar ist, ist die Frage, ob der weiße Prototyp vielleicht ausbleicht. Darüber wissen wir aktuell noch nichts.

Wann soll man das erste Segel kaufen können?
Raoul Joa: Aktuell hoffen wir, dass die ersten Segel im Februar 2018 erhältlich sind.

Fotos: North Sails

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