Madagaskar - Leon Jamaer und Thomas Traversa erkunden den afrikanischen Inselstaat

Leon Jamaer und Thomas Traversa erkunden den afrikanischen InselstaatWindsurfparadies Madagaskar

von Leon Jamaer
Die letzten Tage waren hektisch: Erst der Umzug in eine neue Wohnung, schnell noch die Steuererklärung fertig gemacht, dann die vielen Emails mit Marketing-Vertretern irgendwelcher Agenturen. Sie wollen mir verklickern, die neue Währung, mit der man alles bezahlen kann, heißt Facebook-Reichweite.

Dann ist da noch das schlechte Wetter, kein Wind und diese Erkältung will auch schon seit Wochen nicht richtig weg gehen - das harte Leben eins Profi-Windsurfers eben. „Abhauen!“, das titelt sogar die aktuelle NEON am Flughafenkiosk - Voll im Trend, die Zeichen stehen also gut. Wir nähern uns in 10.000 Meter Höhe dem Äquator. Mein Sitznachbar, Thomas Traversa, schläft schon tief und fest. Es ist Zeit allen negativen Gedanken zu entkommen, Kopfhörer auf, Augen zu und die Vorfreude voll und ganz auszukosten. In wenigen Stunden werden wir in Madagaskar landen. Wir verbringen den halben Tag in der Hauptstadt Antananarivo und nehmen ein weiteres Flugzeug nach Fort Dauphin. Von dort aus geht es mit dem 4x4 weiter gen Süden. Reiseleiter Gilles hat mit der Androhung, die Anreise sei lang und umständlich, nicht übertrieben. Wirklich leiten tut Gilles die Gruppe eigentlich nicht, zumindest scheint er nicht der Typ zu sein, der andere in seine Pläne zu sehr einweiht. Als es dämmert und wir ein Camp zum nächtigen aufsuchen ist nur klar, dass wir noch lange nicht am Ziel angekommen sind.
Madagaskar - Leon Jamaer und Thomas Traversa erkunden den afrikanischen Inselstaat
Madagaskar - Leon Jamaer und Thomas Traversa erkunden den afrikanischen Inselstaat
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Madagaskar überfordert meinen Kopf schon jetzt. Es sind zu viele Eindrücke aus einer anderen Welt, die alle gleichzeitig auf meine Synapsen niederprasseln. Blicke, mal traurig, mal fröhlich, heften sich von allen Seiten an unseren Konvoi. Selbst weit entfernt jeglicher Zivilisation drängen sich Menschenmassen auf den Straßen und verkaufen, handeln, transportieren, gehen, sitzen, fahren, spielen, diskutieren und fast immer winken, wenn wir vorbei fahren. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h geht es weiter. Die Landschaft wird trockener, die Menschen und Tiere wirken ausgehungert. Wir überqueren einen großen ausgetrockneten Fluss, in dessen Flussbett Frauen nach einem letzten Rest Feuchtigkeit zum Waschen der Klamotten graben. Wir scheinen Voll und Ganz im Dritte-Welt-Abenteuer angekommen zu sein. Gegen Mittag erreichen wir nach zweieinhalb Tagen Reise unser Ziel Lavanono. Ein Ort in dem sich eine Kirche, eine Schule und ein Kiosk befindet. Auf den Wegen und vor allem am Strand tummeln sich einige hundert Einwohner, viele von ihnen im Kindesalter. Sie scheinen uns gegenüber wohl gesonnen zu sein und teilen das Meer gerne mit uns. Für sie ist der Ozean Hauptertrags- und Versorgungsquelle. Uns dient es vor allem der Instandhaltung unserer Dopamin- und Serotonin-Haushalte. Während die Männer jeden Morgen mit ihren winzigen Ausleger-Kanus und improvisiert wirkendem Segel aufs Meer zum Fischen hinaustreiben, vergnügen wir uns in der traumhaften Welle, die direkt vor dem Dorf bricht. Obwohl sich unsere Beweggründe so grundsätzlich unterscheiden, scheinen sie dennoch vergnügt zu sehen, mit welcher Hingabe wir uns dem Meer widmen. Einige von ihnen ahmen uns nach - zum Teil mit alten liegen gelassenen Wellenreitbrettern oder aber mit schlichten Holzbrettern oder Baumstämmen. Die Atmosphäre wirkt trotzt des nicht einfachen Schicksals der Bevölkerung Madagaskars gelassen und gastfreundlich.
Madagaskar - Leon Jamaer und Thomas Traversa erkunden den afrikanischen Inselstaat
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Obwohl Madagaskar schätzungsweise erst 350 v. Chr. von Menschen besiedelt wurde, wird das Land östlich von Afrika zu den "älteren Inseln“ gezählt. Schon früh trennte sich die Insel vom Festland, was zur Folge hatte, dass sich die Tier- und Pflanzenwelt über Jahrtausende gesondert von externen Einflüssen entwickeln konnte. Ein Großteil der Arten leben und gedeihen nur hier und nirgendwo sonst auf der Welt. Seitdem der Mensch vor etwas mehr als zweitausend Jahren mit der Besiedlung begann - die ersten Siedler kamen aus Ostafrika, Südost-Asien und dem nahen Osten - ist die ökologische Vielfalt Madagaskars schwer bedroht. Einer Großteil des tropischen Regenwaldes ist der Brandrodung und Abholzung zum Opfer gefallen. Heute sind nur noch etwa zehn Prozent der ursprünglichen Waldflächen erhalten und viele Tierarten bereits ausgestorben. Im Jahre 1896 etablierte Frankreich eine Kolonialherrschaft gegen den Widerstand des madagassischen Königreichs. Bis zur Unabhängigkeit Madagaskars 1960 vertrat Frankreich seine Interessen im Lande mit Militärgewalt. Aufstände wurden wieder und wieder niedergeschlagen wobei allein im Jahre 1948 nach einer Rebellion bis zu 90.000 Madagassen ums Leben kamen. Bis heute sind die politischen Verhältnisse instabil - Land und Leute sind die davon Leidtragenden. Neunzig Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Es herrscht Nahrungsknappheit und damit verbunden chronische Unterernährung. Viele Kinder arbeiten, um ihre Familien zu ernähren. Knapp 19.000 sollen es unter gesundheitlich problematischen Bedingungen allein in den Saphir-Minen im Südwesten Madagaskars sein. Junge Mädchen prostituieren sich für das schnelle Geld oder mit der Hoffnung einen reichen Ausländer kennen zu lernen. Chinesische aber auch europäische Fangflotten fischen die Fanggründe leer und Tropenhölzer werden für den internationalen Markt gefällt. Ein Land, zu schwach sich gegen die Ausbeutung seiner eigenen Zukunft zu schützen. Armes Madagaskar!

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