Nationalpark Ostsee: Unmut der Bevölkerung zeigt erste Wirkungen

Nationalpark OstseeUnmut der Bevölkerung zeigt erste Wirkungen

Zumindest in Teilen der von CDU und Bündnis 90/Die Grünen geführten Landesregierung in Schleswig-Holstein wird der Unmut gegen einen Nationalpark Ostsee in der Bevölkerung inzwischen wahrgenommen. Die Ablehnung, so die CDU-Kreistagsfraktion Ostholstein, sei „deutlich spürbar“.

von Sven Block
Der vorgestellte Nationalpark Ostsee, der im Parteiprogramm der Grünen von 2022 nur beiläufig im Zusammenhang mit dem Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer genannt wird 1), stößt weiterhin auf Widerstand in der Bevölkerung. Selbst Marco Eberle von den Grünen auf Fehmarn erklärte, dass man den Nationalpark Ostsee in dieser möglichen Maximalausdehnung, wie Tobias Goldschmidt ihn vorgestellt hatte, „auf keinen Fall“ wolle und gab sich offen „überrascht“ über die Planungen des von den Grünen geführten Umweltministeriums in Kiel 2). Mit einem noch deutlicheren Nein, hat sich auch die CDU auf Fehmarn positioniert. „Ohne wissenschaftliche Erhebungen, Vergleiche oder Erfahrungen, kann man ein solches Vorhaben nicht einfach beschließen“, heißt es in einer Erklärung 3).

Während der Schleswig-Holsteinische Umweltminister Tobias Goldschmidt das „enorme(s) Interesse der Menschen“ vordringlich als „Akzeptanz des Prozesses“ wertet und die große Resonanz für sich reklamiert 4), spricht Sebastian Schmidt von der CDU jetzt Tacheles: „Nach intensiven Gesprächen in den vergangenen Wochen mit den Mitgliedern der CDU Ostholstein, Bürgerinnen und Bürgern und zahlreichen Interessenverbänden ist die Ablehnung der Idee eines Nationalpark Ostsee deutlich spürbar. Dies bezieht sich auf die Informationen zum Projekt, die bisher auf dem Tisch liegen“ 5), erklärt er in einer Pressemitteilung der CDU-Kreistagsfraktion Ostholstein, „Offenheit heißt im Zweifel auch, dass die gesamte Idee verworfen werden kann“ 6).

Entscheiden über einen möglichen Nationalpark werden trotz aller derzeitig gestarteten Dialoge und Workshops mit Verbänden und verschiedenen Interessengruppen am Ende nicht die Bürgerinnen und Bürger direkt, sondern Kabinett und Landtag.
Nationalpark Ostsee: Unmut der Bevölkerung zeigt erste Wirkungen
Nationalpark Ostsee: Unmut der Bevölkerung zeigt erste Wirkungen
Nationalpark Ostsee: Unmut der Bevölkerung zeigt erste Wirkungen
Tobias Goldschmidt hatte umfängliche Einschränkungsszenarien in einem Nationalpark Ostsee bei einer Kundgebung in Heiligenhafen dementiert 7). Aber es ist das erklärte Ziel der Gesetzgebung innerhalb eines Nationalparks mittels Steuerungsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass innerhalb einer festgelegten Zeit in einer überwiegenden Fläche des Parks natürlichen und dynamischen Abläufen der Natur der Vorrang eingeräumt wird 8).

Auch bei Surfern und Kitern, so Tobias Goldschmidt, seien „sicher Lösungen (zu) finden, mit denen alle leben können“ 9). Die Ausweisung eines Nationalparks erfolgt in Deutschland durch die Bundesländer im Benehmen mit dem Bundesumweltministerium. Dabei sind die in § 24 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) genannten Vorgaben einzuhalten. Wie Tobias Goldschmidt drohende Einschränkungen verhindern und Lösungen entwickeln will, ist nicht zu sehen. In vielen Nationalparks ist nicht nur das Befahren vieler Seewege und -flächen streng untersagt, sondern auch das Baden verboten, wenn es dem Naturschutz oder der Umsetzung der im Bundesnaturschutzgesetz formulierten Ziele dient 10).

Für Katja Günther, Staatssekretärin für Umwelt und Natur im Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein, ist die Frage inzwischen gar nicht mehr, „ob ein Nationalpark Ostsee dem Naturschutz womöglich wenig bringt oder gar die Menschen in der Region einschränkt“, sondern es ginge viel mehr darum, mit „einem guten Nationalparkgesetz im Ostseeschutz ganz vorne“ zu sein 11). Das verstehe, wer wolle, aber die Einbindung der „lokale(n) Bevölkerung in den Entstehungsprozess des Parks“ und „Strukturen zu entwickeln, die eine entsprechende Beteiligung und Mitbestimmung der Region bei der Entwicklung des Nationalparks“ sicherstelle, ist, so der Verband Nationale Naturlandschaften e. V., bei der Umsetzung eines solchen Vorhabens deutlich vorgesehen 12) und auch die CDU stellt die Zweckmäßigkeit und Akzeptanzabsicherung in der Bevölkerung bei einer solchen Umsetzung in ihrem Programm heraus 13).
Nationalpark Ostsee: Unmut der Bevölkerung zeigt erste Wirkungen
Nationalpark Ostsee: Unmut der Bevölkerung zeigt erste Wirkungen
Nationalpark Ostsee: Unmut der Bevölkerung zeigt erste Wirkungen
Der Nationalpark Ostsee, für den sich insbesondere die Grünen in Schleswig-Holstein zurzeit stark machen, wäre der 17. und mit der von Tobias Goldschmidt geplanten Fläche von 161.000 Hektar zweitgrößte Deutschlands nach dem Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer mit 441.500 Hektar. Die politische Entscheidung darüber soll 2024 fallen. Auch Planungen von Nationalparks in Nordrhein-Westfalen und in Bayern sind bereits an wirtschaftlichen Interessen und am Widerstand von Teilen der örtlichen Bevölkerung gescheitert 14).

Selbst wenn Einschränkungen von Spots zum Ausüben von Wassersportaktivitäten, wie Tobias Goldschmidt versichert, zunächst noch milde ausfallen sollten, ist durch den Status eines Nationalparks vorgesehen, dass Schließungen und Verbote von geeigneten Zugängen zum Wasser in den kommenden Jahren zur Tagesordnung gehören könnten und schlimmstenfalls in gerichtlicher Auseinandersetzung erstritten werden müssten. Auch die derzeit bestehenden Nationalparks in Deutschland erfüllen nur teilweise das Kriterium der ungestörten und großflächigen Naturentwicklung, der Transformationsprozess ist zum Teil auf Jahrzehnte angelegt 15).

Es bleibt nicht zuletzt die Frage, ganz unabhängig von unserem Interesse, unseren Sport weiter an der Ostseeküste ausüben zu dürfen, ob eine für einen Nationalpark doch recht eng besiedelte Region und vielfältige Kulturlandschaft wie die Schleswig-Holsteinische Ostseeküste für eine solche Transformation überhaupt identifiziert werden kann und sollte 16). Denn sie zieht nicht nur einen massiven ökonomischen Umbau der Region nach sich, sondern greift auch in die Lebensentwürfe und Interessen der Menschen, die dort leben oder Ferienwohnungen besitzen, ein.

1) Landtagswahlprogramm 2022 Bündnis 90 / Die Grünen Schleswig-Holstein: sh-gruene.de/.../LTW-Programm_web-1.pdf, S. 105
2) Höppner, Andreas: Auf Fehmarn ist die Verunsicherung zum möglichen Nationalpark groß, Fehmarnsches Tageblatt, 07.04.2023
3) CDU Fehmarn: Nein zum Nationalpark Ostsee, 08.04.202
4) Ministerium für Energie­wende, Klimaschutz, Umwelt und Natur: Land startet Konsultationsprozess zum Nationalpark Ostsee, 22.03.2023
5) Pressemitteilung der CDU-Kreistagsfraktion Ostholstein: Die Ablehnung der Idee eines Nationalparks Ostsee ist deutlich spürbar, abrufbar unter nationalpark-ostsee.de, 05.05.2023
6) Ebd.
7) Rahlf, Patrick: Goldschmidt in Heiligenhafen: Erste Klartext-Aussagen zum Nationalpark, Kreiszeitung, 14.04.2023
8) Bundesamt für Naturschutz: www.bfn.de/nationalparke; Bundesministerium für Justiz: www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/__24.html
9) Rahlf, Patrick: Goldschmidt in Heiligenhafen: Erste Klartext-Aussagen zum Nationalpark, Kreiszeitung, 14.04.2023
10) Z.B. Nationalpark Bayrischer Wald: www.gesetze-bayern.de, III. Abschnitt Schutz, Pflege , § 9 Punkt 4.1; Nationalpark Eifel: recht.nrw.de § 14 Punkt 21; nur an ausgewiesenen Stränden auch im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft: www.gesetze-im-internet.de § 6 Punkt 17.
11) Günther, Katja (Staatssekretärin für Umwelt und Natur im Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein): Gastbeitrag - Schulterschluss für den Meeresschutz, NABU Schleswig-Holstein Ausgabe 1/2023, S. 5
12) Nationale Naturlandschaften e.V.: Ablauf einer Nationalparkausweisung
13) CDU Schleswig-Holstein: Nationalpark Ostsee #für einen ergebnisoffenen Prozess
14) Wikipedia: Nationalparks in Deutschland
15) Ebd.
16) In Niedersachsen wurde vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG Lüneburg) mit einem Urteil die Nationalparkverordnung des Nationalparks Elbtalaue für nichtig erklärt, bei dem Gebiet handle es sich nicht um eine „vom Menschen nicht oder nur wenig beeinflusste Fläche“, Wikipedia: Nationalpark Elbtalaue


Fotos: Steffi Wahl, Peter Gobisch, Franziska Doose, Frithjof Blaasch / bulgenslag.de

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