PWA/IWT World Cup Sylt 2023: Lennart Neubauer holt sich die Single

PWA/IWT World Cup Sylt 2023Lennart Neubauer holt sich die Single

Es war der Tag von Lennart Neubauer. Mit einer unglaublichen Leistung wirft der 19-Jährige zunächst Yentel Caers aus dem Ring und lässt sich dann auch von anderen Freestyle-Größen wie Antoine Albert, Jacopo Testa und Steven van Broeckhoven nicht bremsen. Alles zum zweiten Tag beim World Cup Sylt hier in unserem Tagesbericht.

von Sven Block
Bei traumhaften Wetter und guten Bedingungen konnten heute die Freestyler vor der Nordseeküste ihr Können zeigen und lieferten dem Publikum eine mehr als sehenswerte Show. Am Ende des Tages steht Lennart Neubauer verdient ganz oben an der Spitze. Im Finale der Single Elimination, bei inzwischen schwieriger werdenden Bedingungen, zeigte er noch mal seine Extraklasse und scorte die höchste Punktzahl der Tages, die bis dahin Jacopo Testa in einem Vorrunden-Heat eingefahren hatte. Freestylen, so erklärte Lennart Neubauer, kürzlich in einem Interview bei uns, sei zu 80% Kopfsache. Auf Fuerteventura, wo er nur sechster wurde, habe er „vergessen, Spaß zu haben“. Davon war heute nichts zu spüren. Heute passte alles. Ständig schien er im Flow zu sein und spielte mit den Nordseewellen, wie sie sich ihm gerade anboten. „Davon habe ich so lange geträumt - unglaublich, dass es heute beim größten Surfevent der Welt passiert. Es hat einfach alles gepasst. Ich habe mich noch nie so gut gefühlt wie heute auf dem Wasser“, äußerte sich der sympathische 19-Jährige überglücklich.

Single Elimination


Dabei war der Weg zum Sieg für Lennart Neubauer heute alles andere als leicht. Zusammen mit vielen Waveridern wie Thomas Traversa, Marino Gil Gherardi, Antoine Martin, Takuma Sugi, Liam Dunkerbeck aber auch anderen Top-Freestyler, wie Nicolas Akgazciyan, Taty Frans, Balz Müller, Sam Esteve, Amado Vrieswijk, Niclas Nebelung und Bodhi Kempen hieß es erstmal die Vorrunde zu meistern, um auf das etablierte Feld der gesetzten Fahrer zu stoßen. Auch wenn Lennart Neubauer seinem Gegner Thomas Traversa gleich im ersten Heat des Tages mit 34,6 zu 25,9 Punkten keine Chance ließ, ist zu bewundern, dass Thomas Traversa im Vergleich zu seinen sonstigen Mitstreitern beim Waveriding, die allesamt die erste Runde ebenfalls nicht überstanden haben, die mit Abstand beste Wertung einfuhr.

Bei den reinen Freestyle-Begegnungen setzten sich Nicolas Akgazciyan gegen Nigel Hart, Balz Müller gegen Taty Frans, Amado Vrieswijk gegen Marco Vinante und im letzten Heat der Vorrunde leider auch Bodhi Kempen gegen den einzigen deutschen Fahrer, Niclas Nebelung, durch. Erwähnenswert ist auch die Leistung des jungen Japaners Takumi Moriya, der sich erst gegen Takuma Sugi durchsetzen konnte, im Achtelfinale auch noch Anthony Runes bezwang und erst im Viertelfinale von Routinier Steven van Broeckhoven gestoppt wurde. Am Ende ein toller geteilter fünfter Platz für ihn.
PWA/IWT World Cup Sylt 2023: Lennart Neubauer holt sich die Single
PWA/IWT World Cup Sylt 2023: Lennart Neubauer holt sich die Single
PWA/IWT World Cup Sylt 2023: Lennart Neubauer holt sich die Single
Aber zurück zu unserem Hauptprotagonisten Lennart Neubauer, der nun im Achtelfinale ausgerechnet auf Yentel Caers, dem derzeit führenden der Tour-Wertung traf. Ein Heat auf auf Augenhöhe, aber Lennart Neubauer hatte am Ende mit der besseren Porttack-Wertung die Nase vorn. Pasko, Future, Shifty - heute spielte er sein ganzes Repertoire spielerisch ab. Yentel Caers hatte auf der Starboard-Seite mit Doppel Culo, Spock Culo und Air Funnel Burner die Nase vorn. Am Ende sind es nur 0,3 Punkte, die die beiden voneinander trennen und Lennart Neubauer ins Viertelfinale bringen. Dass es dort auf diesem Niveau weitergehen wird, bewiesen Antoine Albert, Youp Schmit, Jacopo Testa, Steven van Broeckhoven, Sam Esteve und Adrien Bosson in ihren Heats, die alle jenseits der 30-Punkte-Marke endeten. Das Niveau auf dem Wasser war erstaunlich. Insbesondere der seitliche Südsüdwestwind im Zusammenspiel mit den Wellen auf der Sandbank spornte zu Höchstleistungen und -wertungen an. Amado Vrieswijk wurde bei jetzt bei etwas leichteren Winden im Heat gegen Sam Esteve sein Kampfgewicht zum Verhängnis. Mit gut 20 kg mehr auf der Waage als bei anderen Fahrern wollte das Board nicht mehr so leichtfüßig ins Rutschen kommen. Für das Leichtgewicht Jacopo Testa hingegen waren die Bedingungen maßgeschneidert. Mit einem Score von 37,4 Punkten holte er die bislang höchste Tageswertung in einem Heat. Er war es, den es an diesem Tag zu schlagen galt und Lennart Neubauer, der heute einen steinigen Weg hatte, sollte bereits im Semifinale auf ihn treffen.

Aber zunächst ging es im Viertelfinale gegen den Neukaledonier Antoine Albert. Dass der starke Shifty von Lennart Neubauer, der mit 6,8 Punkten gewertet wurde, direkt vor den Augen von Antoine Albert, diesen aus dem Konzept geworfen hat, kann man nicht behaupten. Antoine Albert fährt zwar etwas weniger Punkte ein, als im Heat gegen Dieter van der Eyken zuvor, aber am Ende hat auch er wieder solide 32,3 Punkte auf der Score-Karte. An diesem Tag zu wenig, um Lennart Neubauer zu schlagen. Wieder macht dieser den Sack zu und gewinnt mit mächtigen Punkten auf der Starboard-Seite. Mit 35,7 Punkten machte er sich weiter für den Heat gegen Jacopo Testa warm. Dieser musste gegen Youp Schmitt antreten und scorte erneut 36 Punkte. Mehr geht kaum, könnte man meinen, wenn nicht im nächsten Heat Steven van Broeckhoven antritt. Der wohl routinierteste Fahrer der Tour, der inzwischen 38 Jahre ist, tritt gegen Youngblood Takumi Moriya an und ließ keinen Zweifel daran, wer der Herr im Haus ist. 36,3 Punkte sind am Ende das Verdienst seiner Sprunggewalt. Mit Shifty, Pushloop und Backloop schraubt er sich in den Sylter Himmel. Damit hatte wohl keiner gerechnet und spätestens jetzt hatte man ihn auf dem Zettel. Auch der amtierende Weltmeister Adrien Bosson gewinnt im letzten Viertelfinale gegen Sam Esteve deutlich, wußte aber spätestens jetzt, dass er noch eine Schippe drauflegen muss.
PWA/IWT World Cup Sylt 2023: Lennart Neubauer holt sich die Single
PWA/IWT World Cup Sylt 2023: Lennart Neubauer holt sich die Single
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Jacopo Testa fuhr im ersten Semifinale wieder einen grundsoliden Heat. Die eleganten Bewegungen des Italieners und die Präzision der Ausführung sind immer sehenswert und beeindrucken das Publikum und die Judges gleichermaßen. In keiner Wertung, und das muss mann sich heute vor Augen halten, rutschte er unter die 35-Punkte-Marke. Auch im Semifinale gegen Lennart Neubauer sind es am Ende wieder satte 35,4 Punkte. Aber Lennart Neubauer fährt weiter ungezwungen auf. Der Shifty bringt diesmal 6,9 Punkte, der Pasko 7,2. Dazu kommen Doppel Culo, Kabikuchi und Spock Culo dicht vor den vielen Zuschauern in Strandnähe. Mit 37,1 Punkten beendete er den Heat. Das war eine Ansage.

Auch Steven van Broeckhoven machte es im zweiten Halbfinale Adrien Bosson schwer. Selbst wenn die starke Port-Seite, wie in diesem Heat, bei ihm etwas zurückbleibt, hat der Belgier reichhaltige Möglichkeit sein Programm auch auf der Starboard-Seite eindrucksvoll abzuspielen. Am Ende steht es 31,8 Punkte für Belgien zu 28,9 für Frankreich. Steven van Broeckhoven steht im Finale und beendet damit sicher auch nach der Double Elimination den Wettbewerb erneut mit einem Podiumsplatz auf Sylt.

Dass Jacopo Testa dann mit seiner soliden Tagesleistung im kleinen Finale ausgerechnet auch noch gegen Adrien Bosson verliert, ist fast schon tragisch zu nennen. Das erste Mal knackt auch Adrien Bosson die Schallmauer der 35-Punkte-Marke und setzte sich mit 0,3 Punkten Vorsprung durch. Ob es zu diesem Zeitpunkt beim ihm Klick gemacht hat, denn für ihn geht es als derzeit Zweitplatzierten der Tour um die Verteidigung des Weltmeistertitels, ist schwer zu sagen, aber mit der bislang besten Tagesleistung von ihm meldete er sich eindrucksvoll zurück.

Steven van Broeckhoven konnte dann im Finale leider nicht mehr an die Leistung im Semifinale anknöpfen und entschuldigte sich sogar bei dem Publikum dafür, kein spannenderes Finale geboten zu haben. So oder so hätte es vermutlich für den Sieg nicht mehr gereicht, denn Lennart Neubauer fuhr inzwischen in einem Flow, der wohl für keinem der Konkurrenten mehr Angriffsfläche bot. Am Ende schafft er es sogar die Höchstwertung von Jacopo Testa zu übertrumpfen und hatte ganze 38,3 Punkte auf seinem Zettel. Eine mehr als eindrucksvolle Vorstellung. Aber Steven van Broeckhoven braucht sich alles andere als zu verstecken. Der Familienvater, der schon lange nicht mehr als Vollprofi antritt und just for Fun sein unglaubliches Niveau aufrechtzuerhalten weiß, hat eindrucksvoll bewiesen, dass er in der Lage ist, jedem Teilnehmer der Tour erhebliche Schwierigkeiten bereiten zu können.

Double Elimination


Sechs Heats der Double Elimination konnten im Anschluß noch ausgetragen werden, bevor der Wind am frühen Abend einschlief. Niclas Nebelung musste leider im Heat gegen Dieter van der Eyken seine Hoffnung begraben, noch Plätze gutzumachen. Dieter van der Eyken trifft jetzt auf Yentel Caers, der Marco Vinante nach Hause schickte. Auch Nicolas Akgazciyan konnte sich gegen Publikumsliebling Taty Frans durchsetzen. Er trifft auf Takuma Sugi, der sich gegen den dänischen Freestyler Rasmus Øgelund behaupten konnte.

In den nächsten Heats treffen Antony Ruenes auf Antoine Martin, Balz Müller auf Marino Gil Gherardi, Amado Vrieswijk auf Thomas Traversa und Bodhi Kempen auf Corto Dumond.

Yentel Caers hat sein frühes Ausscheiden in der Hinrunde als Co-Kommentator von Ben Profitt gelassen kommentiert. Er sei der Mann für die Rückrunde. Auf seinem Weg über Dieter van der Eyken, Teamkollege Sam Esteve dürfte er gute Chancen haben, sich in der Rückrunde zu rehabilitieren und um den Titel zu kämpfen. Lennart Neubauer hat keine Chancen mehr in den Titelkampf einzugreifen. Durch seinen sechsten Platz auf Fuerteventura kann er mit einem Sieg in der Double Elimination maximal 19.500 Punkte holen. Uneinholbar vor ihm liegt bereits Adrien Bosson, der sich durch seinen Sieg heute über Jacopo Testa, den dritten Platz sicherte. Er kann allenfalls von der Podiumsplatzierung auf den vierten Platz abrutschen und hätte dann bereits 19.600 Punkte aus der Summe der beiden Events zusammen. Yentel Caers müsste zumindest auf Position vier enden, um Weltmeister zu werden.

Morgen sind sogar noch stärkere Winde angesagt als heute. Insbesondere bis zur Mittagsstunde sind Windstärken von sechs bis sieben aus etwa ähnlicher Richtung angesagt. Zum Ende der Woche, zurzeit am Freitag, soll dann nochmal eine ordentliche Front aus Westsüdwest kommen, während in den Tagen dazwischen, eher mit Slalomwettkämpfen zu rechnen ist.

Windsurf World Cup Sylt 2023 Freestyle Single Elimination


1. Lennart Neubauer
2. Steven van Broeckhoven
3. Adrien Bosson
4. Jacopo Testa
5. Takumi Moriya
5. Sam Esteve
5. Antoine Albert
5. Youp Schmit
9. Bodhi Kempen
9. Yentel Caers
9. Rasmus Øgelund
9. Balz Müller
9. Amado Vrieswijk
9. Dieter van der Eyken
9. Antony Ruenes
9. Nicolas Akgazciyan

Fotos: PWA/John Carter

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